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Bundesbehörde lehnt Deutschlands erstes Cannabis-Modellprojekt in Hannover ab

Symbolfoto. Quelle: pixabay.

Hannover. Die Überraschung ist groß über die Ablehnung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) für das erste Cannabis-Modellprojekt Deutschlands, das in den Städten Hannover und Frankfurt umgesetzt werden sollte. Eine kontrollierte Abgabe von Cannabis in mehreren Verkaufsstellen im Stadtgebiet und unter wissenschaftlicher Begleitung der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), mit Unterstützung des Kooperationspartners Sanity Group wird vorerst nicht realisiert.

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Begründung der Entscheidung

Laut der BLE liefert das Konsumcannabisgesetz in seiner jetzigen Form (Säule 1) keine gesetzliche Grundlage für die Erteilung einer Erlaubnis. Bei dem beantragten Vorhaben handele es sich im Kern um ein Modellprojekt, mit dem die Auswirkungen einer kommerziellen Cannabis-Lieferkette auf den Gesundheits- und Jugendschutz sowie auf den Schwarzmarkt wissenschaftlich untersucht werden sollen. Dieses Vorgehen ist laut der BLE aber nicht ausreichend durch das Konsumcannabisgesetz geregelt. Eine Begründung, die die Sanity Group als Antragstellerin nicht akzeptiert und gegen die sie bereits Widerspruch eingelegt hat.

Haltung der Landeshauptstadt Hannover und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH)

Hannovers Sozialdezernentin Sylvia Bruns kritisiert die Entscheidung der Behörde: „Der Konsum von Cannabis ist inzwischen legal – eine grundlegend neue Situation im Vergleich zur früheren generellen Verbotslage. Die Wirkungen des legalen Verkaufs auf Gesellschaft und Konsument*innen sind jedoch bisher weitgehend unbekannt. Das geplante Modellprojekt zielte darauf ab, den Cannabis-Konsum stärker zu begleiten, dadurch den Gesundheits- und Jugendschutz zu stärken und mithilfe der renommierten wissenschaftlichen Begleitung Erkenntnisse für die Weiterentwicklung der Drogenpolitik zu sammeln. Die Ablehnung des Forschungsvorhabens verkennt die gesellschaftlichen Realitäten und erschwert eine faktenfundierte Weiterentwicklung von Präventions- und Unterstützungsmaßnahmen im Rahmen des legalen Konsums von Cannabis“.

Prof. Dr. Kirsten Müller-Vahl, geschäftsführende Oberärztin der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover, die die wissenschaftliche Leitung des Projektes am Standort Hannover innehat, sagte in diesem Rahmen:“ Ich bedauere es sehr, dass die BLE unseren Antrag auf ein wissenschaftliches Pilotprojekt zum Konsumcannabis abgelehnt hat. Erste Umfrageergebnisse zeigen nicht nur, dass durch die Cannabisteillegalisierung 2024 der Cannabiskonsum in Deutschland nicht angestiegen ist, sondern auch dass Menschen einen legalen Zugang gegenüber dem illegalen Markt bevorzugen. Da aber mit der Teillegalisierung versäumt wurde, praktikable Zugangswege zu schaffen, kaufen Freizeitkonsumierende derzeit Cannabis in großen Mengen über Telemedizinplattformen und Versandapotheken, indem sie sich selbst zu Cannabispatient*innen erklären. Das von uns geplante Forschungsprojekt hätte die Möglichkeit geboten, wissenschaftlich begleitet zu untersuchen, welche Auswirkungen der Verkauf von Cannabis in spezialisierten Verkaufsstellen auf den Cannabiskonsum im Allgemeinen, die Gesundheit der Konsumierenden, den illegalen Markt und den Jugendschutz hat. Ohne solche Daten ist eine sachorientierte und faktenbasierte Drogenpolitik zukünftig nicht möglich“.

Ziele des Modellprojektes in Hannover

Die Studie in der Landeshauptstadt Hannover sollte Aufschluss über Konsumverhalten und Auswirkungen auf Gesundheits- und Jugendschutz sowie den Schwarzmarkt geben. Eine bessere Integration der Konsument*innen in das Präventions-und Hilfesystem, ein verbesserter Jugendschutz und eine Verdrängung des illegalen Marktes, auf dem erhebliche gesundheitliche Risiken durch steigende THC-Werte und Verunreinigungen in Cannabisprodukten bestehen, motivierte Hannover sich für dieses Modellprojekt als eine der ersten Städte in Deutschland stark zu machen.

Das Modellprojekt sollte über fünf Jahre laufen und volljährigen Studienteilnehmenden, die einen regelmäßigen Wohnsitz in der Stadt Hannover haben, einen legalen Zugang zu Cannabisprodukten mit unterschiedlichem THC-Gehalt an verschiedenen Verkaufsstellen ermöglichen.

Mangelnde Qualität von Cannabis auf dem Schwarzmarkt – Stichproben in Hannover

Die Sanity Group, Umsetzungspartner des Modellprojektes, betreibt bereits seit Ende 2023 zwei Verkaufsstellen als Teil einer vergleichbaren Studie in der Schweiz und hatte bereits eine Stichprobenerhebung in 30 deutschen Städten zu Cannabis auf dem Schwarzmarkt durchgeführt – darunter auch Hannover. Die Ergebnisse dieser Analysen untermauerten deutlich, wie dringend der politische Handlungsbedarf wirklich sei. In Proben aus Hannover wurden beispielsweise Spuren von in der EU verbotenen Pestiziden sowie von Kokain gefunden.

Hintergrundinformationen:

Gesetzliche Rahmenbedingungen

Die Abgabe der Cannabismengen und der THC-Werte erfolgt im Rahmen der gesetzlich zulässigen Mengen. Demnach gilt für Studienteilnehmende im Alter von 18 bis 21 Jahren eine geringere Abgabemenge mit angepasster THC-Höchstgrenze (siehe § 19 Abs. 3 KCanG). Die Bundesregierung schaffte im vergangenen Jahr die gesetzliche Grundlage für die Teillegalisierung von Cannabis und dessen kontrollierte Abgabe unter der Voraussetzung der wissenschaftlichen Begleitung. Ziel der gesetzlichen Regelung ist eine Schadensminimierung durch Qualitätskontrollen der Substanzen und damit ein verbesserter Gesundheitsschutz. Darüber hinaus sollen die cannabisbezogenen Aufklärungs- und Präventionsangebote, insbesondere mit Blick auf Kinder und Jugendliche, weiter ausgebaut und gestärkt werden. Im Dezember 2024 wurde die notwendige Verordnung durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erlassen und die weitere Umsetzung an die Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft übertragen.

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