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Straftaten steigen nach Corona-Einschränkungen erstmals wieder an

Region. Die Niedersächsische Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens, hat heute (20. März) die Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2022 vorgestellt. Dabei wurden nach starken Rückgängen der Gesamtfallzahlen in den vergangenen Jahren im Bereich der polizeilich registrierten Kriminalität erstmals wieder Zunahmen verzeichnet. Im Vergleich zu 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie, stieg die Gesamtkriminalität um 3,44 Prozent wieder leicht an. Die registrierte Kriminalität für das Jahr 2022 beläuft sich somit auf 523.996 Straftaten (ein Anstieg um knapp 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr). Kurzfristig dürfte der Wegfall der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie die Zunahme nachhaltig beeinflusst haben. Zugleich ist die Aufklärungsquote im Vergleich zum Vorjahr auf einen Wert von knapp 62 Prozent leicht gesunken, befindet sich aber noch immer auf einem hohen Niveau. .

Ministerin Behrens sagt: „Das Kriminalitätsaufkommen in Niedersachsen nimmt wieder zu. Niedersachsen zählt trotz dieses erwartbaren Anstiegs bei der Gesamtzahl der Straftaten nach Ende der Corona-Maßnahmen aber weiterhin zu den sichersten Bundesländern. Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 stieg die Gesamtkriminalität nur leicht an. Das zeigt, dass mit dem Wegfall der Corona-Maßnahmen auch gewisse Straftaten wieder verstärkt begangen wurden. Die Polizei konnte in fast 62 von 100 Fällen Tatverdächtige ermitteln.

Das ist nach wie vor eine gute Quote und ein Beleg für die gute Polizeiarbeit in Niedersachsen, auch wenn wir hier einen geringen Rückgang von rund 2,3 Prozent zu verzeichnen haben. Die Zahlen zeigen aber auch, dass wir nicht nachlassen dürfen, weiterhin konsequent in die Fähigkeiten unserer Polizei zu investieren und die Maßnahmen der vergangenen Jahre fortzusetzen.“

Gewalt gegen Einsatzkräfte erneut gestiegen

Die Zahl der erfassten Fälle, bei denen Polizeibeamtinnen und -beamte im Dienst Opfer einer Straftat geworden sind, ist im Vergleich zum Vorjahr um 17,89 Prozent gestiegen und liegt nunmehr bei 4.277 Taten. Zuwächse sind insbesondere bei Widerstandsdelikten, tätlichen Angriffen und bei Bedrohungen zu verzeichnen. In diesem Kontext nimmt auch die Zahl der Opfer um 18,86 Prozent auf 9.767 zu. 82,30 Prozent der Opfer blieben bei den Angriffen unverletzt. 1.560 Polizeibeamtinnen und -beamte wurden leicht verletzt. Die Zahl der Schwerverletzten hat sich von sieben auf 13 erhöht und liegt somit wieder auf dem Niveau von 2019. Rund drei Viertel aller Tatverdächtigen in diesem Kriminalitätsbereich sind in den vergangenen Jahren Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit.

Auch die Gewalt gegen Rettungs- und Feuerwehrkräfte nimmt in einem ähnlichen Ausmaß um 17,43 Prozent zu. Viele Fälle der Gewalt gegen Rettungs- und Feuerwehrkräfte sind Widerstandsdelikte und tätliche Angriffe. Die Zahl der Opfer in diesem Bereich ist im Vergleich zum Vorjahr sogar um 19,89 Prozent angestiegen, was einen neuen Höchststand zur Folge hat. Auch bei den verletzten Opfern ist eine Zunahme von 91 auf 109 festzustellen. 2022 wurde glücklicherweise kein Opfer in den Organisationen von Feuerwehr und Rettungsdiensten schwer verletzt.

Ministerin Behrens: „Die Übergriffe auf Einsatzkräfte der Rettungsdienste, der Feuerwehr und der Polizei sind nicht nur – wie zuletzt – an Silvester festzustellen. Wir beobachten diese das gesamte Jahr über und die Zahl steigt seit Jahren stetig an. Diese Übergriffe sind nicht tolerierbar. Sie zeugen von einem Mangel an Respekt gegenüber denjenigen, die uns tagtäglich schützen – das ist für mich völlig inakzeptabel! Bereits im Februar habe ich mich mit Vertreterinnen und Vertretern der Polizei, der Feuerwehr, der Rettungs- und Hilfsdienste, der kommunalen Spitzenverbände sowie verschiedener Gewerkschaften und Verbände getroffen und erste Maßnahmen auf den Weg gebracht. Diesen Dialog werde ich auch in Zukunft fortsetzen. Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang, dass wir den Mangel an Respekt und die Ablehnung staatlicher Strukturen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe und als ernste Herausforderung für unsere Demokratie begreifen. Deshalb werde ich das Thema auch bei der kommenden Innenministerkonferenz mit meinen Kolleginnen und Kollegen diskutieren und mögliche gemeinsame Aktivitäten abstimmen.“

Zunehmende Kinder- und Jugendkriminalität

Die Zahl junger Tatverdächtiger (Personen unter 21 Jahren) ist im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr angestiegen und liegt bei ca. 46.700. Im Vor-Corona-Jahr 2019 befand sich der Wert auf einem ähnlichen Niveau (46.535). Die Anzahl der Fälle, zu denen junge Tatverdächtige ermittelt wurden, befinden sich mit ca. 65.000 leicht unter dem Niveau vor der Corona-Pandemie. Die aufgeklärten Fälle, zu denen minderjährige Tatverdächtige ermittelt wurden, nehmen im Berichtsjahr 2022 mit ca. 30 Prozent zu und liegen damit rund 8 Prozent über dem Vor-Corona-Jahr 2019.

Die Zahl kindlicher Tatverdächtiger insgesamt und die Anzahl aufgeklärter Fälle, zu denen tatverdächtige Kinder ermittelt wurden, hat zugenommen. In diese Gruppe fallen Mädchen und Jungen unter 14 Jahren. Im vergangenen Jahr waren 14 Prozent der jungen Tatverdächtigen Kinder. In den Jahren 2021 und 2019 lag der Anteil noch bei rund 11 Prozent. Insbesondere Körperverletzungs-, Raub- und Diebstahlsdelikte haben zugenommen.

Die Anzahl der Tatverdächtigen im Schulkontext stieg nach Ende der pandemiebedingten Einschränkungen des Schulbetriebs im Vergleich zu 2021 deutlich an (+ 90,28 Prozent). Trotz der Zunahme liegt der Wert aber noch immer unterhalb des Wertes aus 2019. Nachhaltig hat sich auch hier der Wegfall der Einschränkungen durch die Pandemie auf das Freizeitverhalten, das Schulleben und in der Folge auch auf die Straffälligkeit junger Menschen ausgewirkt.

Ministerin Behrens: „Die Zunahme im Bereich der Kinder- und Jugendkriminalität beobachte ich mit Sorge, auch wenn einiges dafürspricht, dass es sich in diesem Bereich nach dem Ende der Corona-Maßnahmen auch um einen gewissen ‚Nachholeffekt‘ handelt und wir uns nach wie vor auf einem niedrigen Niveau bewegen. Grenzüberschreitungen, die sich zum Teil leider auch in Straftaten ausdrücken, sind bei manchen jungen Menschen Teil des Heranwachsens. Die Pandemie hat hier vieles unter dem Deckel gehalten. Wir nehmen diese Zahlen dennoch keineswegs auf die leichte Schulter, werden die Entwicklung hier genau im Blick behalten und schnell reagieren, sofern sich eine Verstetigung dieser negativen Entwicklung abzeichnen sollte.“

Häusliche Gewalt im Fokus

Seit Ende des Jahres 2021 liegt für das Phänomen der Häuslichen Gewalt eine bundesweite Definition vor, die eine einheitliche statistische Erfassung ermöglicht. Häusliche Gewalt umfasst nicht nur partnerschaftliche und ex-partnerschaftliche, sondern auch familiäre Gewalt. Die Anzahl der erfassten Straftaten ist deshalb grundsätzlich nicht ohne Weiteres vergleichbar zu den Werten des Jahres 2020 und früher.

Im vergangenen Jahr hat die Polizei in Niedersachsen insgesamt 26.997 Fälle Häuslicher Gewalt und damit eine Zunahme von 11,08 Prozent im Vergleich zu 2021 registriert. Das Phänomen ist überwiegend durch Körperverletzungsdelikte geprägt. Hier betrug der Anteil im vergangenen Jahr rund 61,56 Prozent. Die Polizei registrierte 16.260 Körperverletzungen, davon 2.731 gefährliche und schwere Körperverletzungen.

Im Umgang mit dem Phänomen stellt die landeseinheitliche Handreichung für die niedersächsische Polizei zum Umgang mit Häuslicher Gewalt in der gerade aktualisierten dritten und deutlich erweiterten Auflage einen wesentlichen Meilenstein dar. Damit wurden landesweit Abläufe und Verfahrensweisen standardisiert. Zudem ist erstmalig in ganz Niedersachsen ein einheitliches Hochrisikomanagement implementiert worden, das auf die verbindliche Vernetzung sämtlicher relevanter Akteure setzt. Die Erhellung des Dunkelfeldes stellt einen weiteren Schwerpunkt der polizeilichen Maßnahmen dar.

Ministerin Behrens sagt: „Häusliche Gewalt ist keine private Angelegenheit, sondern eine Straftat, die konsequent geahndet werden muss. Nicht nur Frauen leiden unter zumeist männlicher Gewalt. Insbesondere Kinder, die Gewalt entweder direkt erfahren oder beispielsweise das Leid ihrer Mutter miterleben müssen, tragen eine schwere Last mit sich. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass das Landeskriminalamt Niedersachsen in der vergangenen Dunkelfeldforschung dem Thema Häusliche Gewalt mit einem Sondermodul besondere Aufmerksamkeit gewidmet hat. Dadurch konnten die Erkenntnisse der Auswertung des Hellfeldes sinnvoll ergänzt und weitere wichtige Schlüsse für die Polizeiarbeit gezogen werden.“

Weitere Entwicklungen der Polizeiliche Kriminalstatistik 2022

Die Sprengung von Geldautomaten erreichte im vergangenen Jahr mit 68 einen neuen Höchstwert. In 40 Fällen und somit bei weit über der Hälfte aller Sprengungen wurde Bargeld erbeutet. Von den 68 Fällen des Jahres 2022 wurden 61 Sprengungen bzw. 91 Prozent mittels Festsprengstoffen verübt. Die Anzahl der Sprengungen von Geldautomaten in 2023 liegt mit Stand vom 20.03.2023 bei insgesamt 16 Taten. In diesem Jahr konnten bereits neun Täter zu drei Taten während der Fluchtphase durch die Polizei festgenommen werden.

Im Bereich der Eigentumskriminalität wurden die knapp 9.456 Wohnungseinbruchdiebstähle aus dem vorpandemischen Jahr 2019 mit 6.510 registrierten Taten weit unterschritten. Im Vergleich zum Pandemiejahr 2021, das noch von starken Corona-Einschränkungen geprägt war beträgt der Anstieg 25,8 Prozent.

Mit einer mehrjährigen Perspektive setzt sich damit ein positiver Trend fort. Von den Höchstständen aus den Jahren 2015 und 2016 mit jeweils rund 16.500 Einbrüchen sind die aktuellen Zahlen weit entfernt. Dazu tragen nach Einschätzung der Polizei insbesondere die häufig verbesserten Sicherheitsmaßnahmen an Wohnungen und Häusern bei. Hier bietet die Polizei Mieterinnen und Mietern sowie Eigentümerinnen und Eigentümern Informationen und Beratung an.

Im Deliktsbereich der Verbreitung pornographischer Inhalte ist erneut ein gravierender Anstieg der Fallzahlen festzustellen. Dabei wurden in der Kategorie der Verbreitung von kinderpornographischen Materialien 4.702 Fälle registriert; ein Plus von fast 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Bereich der Verbreitung von Jugendpornographie verzeichnet einen noch deutlicheren prozentualen Anstieg. Dieser liegt bei 44,5 Prozent und steigt im Jahr 2022 auf eine Fallzahl von 786. Die Zuwächse der Fallzahlen beruhen überwiegend auf dem internationalen Meldesystem des US-amerikanischen Instituts „National Center for Missing and Exploited Children“ (NCMEC). Von dort werden strafrechtlich relevante Vorgänge automatisiert an die zentralen Strafverfolgungsbehörden der Staaten übermittelt, in denen Täter oder Opfer vermutet werden.