Ronnenberg. Jahrzehntelang war der jüdische Friedhof in Ronnenberg weitgehend in Vergessenheit geraten – bis jetzt. Zum ersten Mal fand das Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht von 1938 nicht nur am Mahnmal für die jüdischen Bürgerinnen und Bürger der Stadt, sondern auch auf dem wiederhergestellten Friedhof statt.
Die Stadt Ronnenberg und der Förderverein Erinnerungsarbeit Ronnenberg (FER) hatten gemeinsam mit der Marie-Curie-Schule zur Gedenkveranstaltung eingeladen. Rund 70 Teilnehmende kamen zusammen, um an die Verfolgung und Ermordung jüdischer Menschen während der NS-Zeit zu erinnern.
Nach den Ansprachen von Bürgermeister Marlo Kratzke und Schulleiter Kay Warneke legten die Teilnehmenden am Mahnmal ein Blumengebinde nieder. Anschließend ging es gemeinsam zum nahegelegenen jüdischen Friedhof, der sich schnell füllte. Viele Besucherinnen und Besucher verfolgten die Veranstaltung von außerhalb der Friedhofsmauer.
Im Mittelpunkt stand eine bewegende Ansprache von Elizabeth Cohen aus Chicago, einer Tochter des in Ronnenberg geborenen Fritz Cohen, der 1938 vor den Nationalsozialisten fliehen musste. Sie hatte die Rede aus den USA geschickt, um ein Zeichen gegen das Vergessen und den wieder aufkeimenden Antisemitismus zu setzen. In ihrer Botschaft mahnte sie, aus der Geschichte zu lernen und sich entschieden gegen Diskriminierung und Hass zu stellen.
„In den letzten Jahren hat der Antisemitismus in den USA und in Deutschland leider ein bei spielloses und historisches Ausmaß erreicht, mit einem dramatischen Anstieg von Belästigungen, Vandalismus und Übergriffen, insbesondere seit Beginn des Israel-Hamas-Krieges im Oktober 2023. Unter der aktuellen Trump-Regierung wird in den USA rassistische und fremdenfeindliche Rhetorik verbreitet - unter dem Deckmantel der sogenannten Einwanderungsreform, begleitet von Massenabschiebungen und Familientrennungen, die sich hauptsächlich gegen die hispanische Bevölkerung richten. In meiner Heimatstadt Chicago führt die berüchtigte Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE) täglich Razzien mit ungezügelter Brutalität und Unmenschlichkeit durch. Ich könnte noch viel mehr erzählen“, so Cohen in ihrer Ansprache.
Cohen erinnerte zugleich an ihren Vater, der im August 1938 emigrieren konnte und später als Brückenbauer zwischen seiner alten und neuen Heimat wirkte. Erst im August 2025 wurde er – 92 Jahre nach seiner Flucht – auf dem Ronnenberger Friedhof beigesetzt.
Zum Abschluss der Gedenkfeier erinnerte der Förderverein an das berühmte Gedicht des evangelischen Pfarrers Martin Niemöller, das eindringlich daran erinnert, wie gefährlich Schweigen angesichts von Unrecht sein kann:
„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“
Die Veranstaltung machte deutlich: Erinnerungsarbeit bleibt notwendig – als Mahnung und Verpflichtung, damit sich Geschichte nicht wiederholt.

