Anzeige
Anzeige
Anzeige

Archäologische Grabung bringt Erstaunliches hervor

Von links nach rechts: Timo Mertesacker, Ute Bartelt und Timo Kosin

Pattensen.

Die Geschichte des Grundstücks an der heutigen Talstraße 5 in der Pattenser Altstadt reicht bis ins Hochmittelalter zurück. Zu diesem Schluss kommt die Kommunalarchäologin der Region Hannover, Ute Bartelt, die heute vorläufige Ergebnisse einer archäologischen Grabung im historischen Ortskern der Stadt präsentierte: „Auch wenn eine detaillierte Datierung und die Entwicklungsgeschichte erst nach weiteren Analysen möglich ist, lässt sich bereits jetzt sagen, dass die Parzelle mindestens seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert besiedelt war.“ Bevor an der Talstraße demnächst ein Wohn- und Geschäftshaus entsteht, waren in den letzten Wochen Archäologen tätig, um den Baugrund zu untersuchen.

Sehr ungewöhnlich ist die Aufdeckung eines fast 20 Quadratmeter großen Steinkellers, erbaut am Ende des 12. oder Anfang des 13. Jahrhunderts. Darauf lässt unter anderem der Fund einer frühen Ofenkachel schließen. „Der Kachelofen verbreitete sich im Laufe des 12. Jahrhunderts bis nach Norddeutschland. Anfangs war er fast ausschließlich im kirchlichen und adligen Umfeld verbreitet, eine rauchfreie Wärmequelle bedeutete eine erhebliche Verbesserung des Wohnkomforts“, erläutert Ute Bartelt. Auch der Fund eines eisernen Reitersporns sei ein eindeutiger Verweis auf einen adligen Kontext und untermauere, dass an der Talstraße ehemals ein Burgmannshof lag.

Neben Grubenhäusern aus dem 12. bis 14. Jahrhundert legten die Archäologen insgesamt 15 Brunnen frei: Mehrheitlich handelt es sich um so genannte Baumstammbrunnen (ausgehöhlte Baumstämme dienten als Brunnenröhre); zudem fanden sich ein hölzerner Kastenbrunnen sowie vier Brunnen mit steinerner Brunnenröhre. Letztere lassen sich anhand der Verfüllungen in die frühe Neuzeit datieren und sind ebenso wie eine Fasskloake (Latrine) und weitere Keller Zeugen für die frühneuzeitliche Nutzung der Parzelle. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts stand hier bis zum Abriss der „Weidemann’sche Hof“ – benannt nach der Familie, die ihn bis zum Ende des 20. Jahrhunderts bewohnte und bewirtschaftete.

Historische Einordnung

Das Grundstück Talstraße 5 liegt nördlich der „Burg Pattensen“, die vermutlich Ende des 12./Anfang des 13. Jahrhunderts von den Grafen von Hallermund als Niederungsburg errichtet wurde. Den Schriftquellen zufolge bekommt in den 1220er Jahren Heinrich Hisse von Reden von den Hallermunder Grafen in Pattensen ein „Haus“ (gemeint ist wohl die Burg), einen Hof und eine Vogtei zum Lehen.

Hufeisenförmig um die Burg herum angeordnet lagen mehrere Burgmannshöfe – diese Anordnung wird lediglich durch die im 12. Jahrhundert errichtete Kirche und den zugehörigen bischöflichen Mindener Meierhof unterbrochen. Die Burgmannshöfe stellten die Versorgung der Burg bzw. des Heeresaufgebotes mit Lebensmitteln, Gebrauchsgütern und Mannschaften sicher. Burg und Burgmannshöfe sind höchstwahrscheinlich zeitgleich angelegt worden – in einer Amtsbeschreibung des 18. Jahrhunderts werden acht adlige Höfe (Freie Höfe) in Pattensen genannt.

Auf einem Plan, der den Wiederaufbau der Stadt nach dem großen Stadtrand von 1733 zum Thema hat, ist die Lage von acht Freien Höfen eingezeichnet – einer liegt im Bereich des heutigen Grundstücks Talstraße 5. Auf diesem Plan als auch auf einem der die Situation vor dem Stadtbrand von 1733 darstellt findet sich im Westen des heutigen Grundstücks Talstraße 5 ein hofartiges Gebäudeensemble mit mittig liegendem Brunnen, östlich davon liegt eine größere Freifläche. Nur ein Teil der aufgedeckten Befunde lässt sich der dort dargestellten Bebauung zuweisen, die übrigen beleuchten die Entwicklung Pattensens zwischen 1200 und 1700– und somit eine Zeit, für die nach den großen Stadtbränden schriftliche und bildliche Quellen fehlen. 

„Die anstehenden Bauarbeiten haben es uns ermöglicht, die Geschichte Pattensens ein gutes Stück weiter zu erforschen“, so  Archäologin Bartelt. Ohne bauvorbereitende archäologische Untersuchung würden sämtliche Spuren früherer Siedlungstätigkeit undokumentiert beseitigt.